Resonanz
Architektur steigert das Innovationspotenzial
Architektur steigert das Innovationspotenzial – gesünder, ökologischer und sozialer arbeiten titelt IM+io den Scheer Innovation Review von Gastautor Sven Bietau. Der Architekt ist New-Work-Experte und geschäftsführender Gesellschafter des Architektur- und Beratungsbüros CSMM.
Das Magazin IM+io präsentiert „Best & Next Practices" aus Digitalisierung, Management und Wissenschaft.
IM+io: Heft 2 | Juni 2020:
Sven Bietau sieht das Büro als Möglichkeitsraum. Er ist überzeugt davon, dass der uns umgebende Raum unmittelbar mit uns kommuniziert und Einfluss nimmt auf das, was wir tun – selbst wenn wir dies nich bewusst wahrnehmen. In seinem Gastbeitrag gibt er Ein- und Ausblicke zu den intensiven Wechselwirkungen zwischen New Work, Nachhaltigkeit und Innovation.
Dieser Artikel ist ursprünglich gedruckt in IM+io: Heft 2 | Juni 2020 und online auf aws-institut.de erschienen:
Ob „Fridays for Future" oder „Green Building Design": Den Nachhaltigkeitsaspekten Klimaschutz und Ökologie messen nahezu alle Branchen einen hohe Relevanz bei. Gleichzeitig verändert sich unsere Arbeitswelt in einer nie da gewesenen Geschwindigkeit und schafft ganz neue Anforderungen an Zeitrahmen, Raum und Zielprodukt. Um die Prozesse im Arbeitsalltag nachhaltig zu optimieren, müssen einerseits eingefahrenen Routinen durchbrochen und verbessert werden, andererseits noch fehlende Lösungen gefunden oder erfunden werden. Den Weg dorthin erläutert New-Work-Experte Sven Bietau in seinem Gastbeitrag.
Wie schafft man eine Umgebung, die die geforderten Innovationen begünstigt? Um wettbewerbsfähig zu bleiben, geht es in der heutigen Informationsgesellschaft zunehmend darum, Innovationen in möglichst kurzer Zeit zu schaffen. Hier liegt die Schnittstelle zu den Entwicklungen der globalen Märkte. Ob wir es bewusst wahrnehmen oder nicht, kommuniziert der uns umgebende Raum unmittelbar mit uns und nimmt Einfluss auf das, was wir tun und wie wir es tun. Er beeinflusst nicht nur Ästhetik, Wohlbefinden und Motivation, sondern auch Strukturen und Prozesse. Daher müssen Arbeitsumgebungen in ihrer Planung neu gedacht werden. Wir benötigen neue Bürokonzepte, die auch die zeitgenössische Zielsetzung, Innovation, fördern. Was also beflügelt unseren Erfindergeist? Welche Faktoren begünstigen Innovation? Mit jahrzehntelanger Erfahrung in der Branche haben sich für uns drei prägnante Faktoren zur Innovationsförderung herauskristallisiert: Kreativität, Kommunikation und Serendipität. Kreativität zielt darauf ab, neue Herangehensweisen zu bekannten Fragestellungen zu schaffen. Indem Routinen gebrochen werden, lassen sich Probleme unkonventionell lösen. Kommunikation dient nicht nur essentiell zur Weiterentwicklung bestehender Ideen. Sondern gerade hierarchie- und abteilungsunabhängige Kommunikation verschafft uns Zugang zur gesamten mentalen Kapazität eines Unternehmens. Durch den Austausch lernt, entwickelt und verarbeitet der Mensch. Die Serendipität - eine Reihe glücklicher Zufälle - fördert die Erzeugung organischer Prozesse: Der gut geplante Möglichkeitsraum forciert zufällige Begegnungen und ermöglicht unterschiedlichste Facetten von Arbeitsszenarien – häufen sich glückliche Zufälle, wächst das Innovationspotenzial.Daher plädieren wir für den Ansatz, künftige Arbeitswelten als Möglichkeitsräume zu konzipieren. Denn sie verfolgen primär das Ziel, Innovation zu begünstigen. Sie schaffen dem Menschen eine Umgebung, in der er als soziales und innovierendes Wesen existieren kann. Alles ist in diesem Raum möglich, frei nach dem Prinzip der Serendipität - einem für Büroimmobilien neuartigen Aspekt. Doch wirken diese Arbeits- und Gemeinschaftsflächen der Konzentration diametral entgegengesetzt, obwohl deren Bedarf weiterhin bestehen bleibt: Nicht nur müssen die neu entstandenen Ideen erst noch ausgearbeitet und realisiert werden, sondern auch andere Aufgaben bedürfen Rückzugsorte, die konzentriertes Erledigen ermöglichen. Aus der firmentypischen, individuellen Balance zwischen Kommunikation und Konzentration entsteht der Erfolg für das jeweilige Unternehmen. Kultur, Tätigkeitsinhalte und Raum stehen in einem ständigen Wechselspiel. Jedes Unternehmen lebt andere Grundsätze und benötigt somit ein maßgeschneidertes Bürokonzept. Als Planer konzipieren wir daher das Büro als Möglichkeitsraum, ein Werkzeug, das den Nutzern dabei hilft, neue Visionen zu entwickeln und zu verwirklichen. Unser Interesse ist es, Impulse zu geben und Prozesse anzustoßen, die die Arbeitswelt verbessern. Damit lassen sich auch die ökonomischen, sozio-kulturellen und ökologischen Gesichtspunkte der Nachhaltigkeit erreichen.
Das Büro als Möglichkeitsraum erlaubt, Arbeitsszenarien frei zu wählen und für jeden Mitarbeiter, sich kreativ zu entfalten. Seine Planung begünstigt nicht nur die serendipe Kommunikation, sondern auch, Ideen fokussiert zu Ende denken zu können.
Eine zukunftsorientierte Arbeitsumgebung wird im neu angebrochenen Jahrzehnt mehr sein als die Kopie oder Abwandlung überholter Typologien. Das Büro ist künftig kein Ort des reinen Abarbeitens mehr, sondern die Keimzelle für Innovation. Lang lebe der Möglichkeitsraum! Wenn wir diese Projekte kreieren, spielen sowohl die Gestaltung, Haptik und Ausführung eine wichtige Rolle, als auch stehen Ökologie, gesunde Arbeitsumgebung und der nachhaltige Betrieb für zukunftsfähige Konzepte. Denn alle Faktoren gemeinsam stiften kulturelle Identität und sorgen für soziale Zufriedenheit, Akzeptanz des Wandels und damit für den Erfolg des Unternehmens.
Im zunehmenden „War for Talents“ rücken laut der aktuellen „Office 21“-Studie des Fraunhofer Instituts die Arbeitsumgebung und -ausstattung sogar auf Platz eins der Anreizkriterien bei der Jobauswahl – vor finanzielle Anreize und Boni. Ein Unternehmen, das seinen Mitarbeitern eine attraktive und gesunde Arbeitsumgebung bieten kann, gewinnt an Anziehungskraft – entscheidende Faktoren im Wettbewerb um Fachkräfte und Talente
Doch was bedeutet Nachhaltigkeit als konträrer Begriff zu dem des schnelllebigen Marktes für unsere Industrie 4.0? Wie vereinbar sind die veränderten Zielsetzungen einer globalen Wirtschaft zu diesem Nachhaltigkeitsgedanken? Und welchen Einfluss haben Büro und Arbeitsumfeld darauf? CSMM ist langjähriges Mitglied in der DGNB – der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen – und wirkt dort im Expertenpool, unterstützend zu Forschungsprojekten, aktiv mit. Das Unternehmen ist zudem Partner des ISF – Instituts für Sozialwissenschaftliche Forschung München. Daher ist es für uns selbstverständlich, in die Planungen auch die nachhaltigen Aspekte miteinzubeziehen.
Im allgemeinen Sprachgebrauch findet der Begriff meist einseitig Verwendung: Sustainability bedeute ökologische Langlebigkeit, deshalb auch die direkte Assoziation mit der Farbe Grün. Nachhaltig kann allerdings nur sein, was zusätzlich zu den ökologischen Gesichtspunkten auch die Bereiche der Ökonomie und des Sozialen stabilisiert. Alle drei Komponenten sind gleichwertig und stehen im unauflösbaren Zusammenhang zueinander. Dazu betrachten wir das Gebäude, die Ausstattung und den Betrieb hinsichtlich der Möglichkeiten, Energie und Ressourcen einzusparen, klimafreundliche Mobilität anzubieten und nachhaltige Betreiberkonzepte zu entwerfen.
Interessanterweise gleichen die Nachhaltigkeitskriterien für die IT-technische Ausstattung in vielerlei Hinsicht denen für den Innenausbau und die Einrichtung: Wir konzipieren modulare Systeme, die sich verändernden Bürogrößen oder -verhältnissen flexibel anpassen oder umbauen lassen. Nach dem cradle-to-cradle-Gedanken können sie am Ende ihres „ersten Lebens" entweder umgebaut einer neuen Verwendung zugeführt werden. Oder sie lassen sich sortenrein in ihre Einzelteile zerlegt anders weiterverwenden oder getrennt wiederverwerten. Einzelteile können bei Bedarf gereinigt, repariert oder ausgetauscht werden. Die Materialien sollen unter für die Arbeitskräfte anständigen Bedingungen hergestellt werden. Sie sind schadstofffrei, aus regionalen nachwachsenden Ressourcen oder künstliche Werkstoffe, die gut recyclingfähig sind oder selbst ein Up-Cycling darstellen.
Um die Herstellungsbedingungen der IT-Geräte zu verbessern und den Raubbau an Mensch und Natur mittelfristig zu beenden, ermutigen wir unsere Gesprächspartner, Angebote durch Nachfragen zu verbessern: Konzerne gehen davon aus, dass sich nur zwei von zehn Leuten beschweren, wenn ihnen etwas nicht passt. Damit bekommt jede Nachfrage den Faktor 5. Zu unserer Freude merken wir auch bei unseren Beratungen, dass die Kunden den gesamtheitlich nachhaltigen Ansatz zunehmend nachfragen. Denn für sie ist im „War for Talents“ die Attraktivität der Arbeitsumgebung ein entscheidender Erfolgsfaktor.
Über Sven Bietau
Architekt und Berater Sven Bietau ist geschäftsführender Gesellschafter der CSMM GmbH. Mit Firmengründer Timo Brehme widmet er sich den Arbeitswelten der Zukunft und Immobilien im Gewerbebereich. Seine Visionen verwirklicht Sven Bietau auf der Grundlage jahrelanger beruflicher Erfahrung und akademischer Ausbildung: Dem Studium des Bauingenieurwesens an der TU München folgten Architektur in Trier und der Master of Arts Architecture in London. er Architekt begleitet mit seinem interdisziplinären, internationalen Team Mieter und Eigentümer von der Objektauswahl über Gestaltung bis hin zur Umsetzung von innovativen Arbeitswelten.